Das erste Halbjahr 2013 ist vorbei – Zeit für einen kleinen internen Rückblick bei think moto. Einige große Agenturen veröffentlichen zu Beginn eines Jahres ihre Trendberichte mit Prognosen fürs kommende Jahr. Wir schauen im Halbjahr auf eigene Arbeiten zurück und versuchen, daraus unsere ganz subjektiven Trends abzulesen.
#1. Start-ups in Berlin – Agile is the new new economy
Wir haben inzwischen einige Startups im Kundenstamm und auch die Produktabteilungen etablierter Unternehmen sprechen gerne davon, dass sie sich selbst als Startup innerhalb des Konzerns sehen. Letzteren meinen damit: wir wollen neue, zeitgemäße, menschzentrierte und digital getriebene Paradigmen in der Produktentwicklung und Markenführung einsetzen. Es geht um Agile Entwicklung, schnelle Marktreaktion, Build-to-order. Um den Wunsch, schnell sichtbare Ergebnisse zu haben und die Angst, den Anschluss an neue Märkte zu verpassen. Zwischen die Erkenntnis und die schnelle Umsetzung schiebt sich dann aber leider doch oft der lange Arm der Konzernbürokratie und so verpufft vieles von der Energie, die einzelne Mitarbeiter in großen Unternehmen investieren…
Anders die Kickstarter. Für Startups sind schnelle Entscheidungen ein Muss und die meisten treffen diese Entscheidungen mit einer jugendlichen Begeisterung, auch dann, wenn die Gründer schon Führungskräfte bei Cisco und Oracle waren und nicht unbedingt dem Bild eines Berlin-Startups entsprechen, wie bei unserem Kunden ithings4u, einer vielversprechenden Neugründung, die das Internet der Dinge endlich Wirklichkeit werden lassen könnte.
Manche der Startups, mit denen wir arbeiten, beschäftigen sich übrigens damit, unser ökonomisches System zu ändern, z.B. durch Mikrofinanzierung in den armen Regionen der Welt (s. Trend #4). Andere bauen daran, die vielen Dinge, die uns umgeben, miteinander sprechen zu lassen. (s. Trend #5). Unser ältester Startup Kunde, der E-Book Vertrieb Bookwire dagegen wird langsam erwachsen und hat doch noch enormes Potenzial in einer Branche, die alles in allem am Anfang steht (s. Trend #3)
#2. Flat Design – Wenn alles flach ist, scheint der Leuchtturm umso weiter
Noch etwas haben die meisten Startups gemein: sie wissen um die Bedeutung von UI und UX Design. Unser Branded Interaction Design (BIxD) Ansatz kommt dem naturgemäß entgegen, sehen wir doch die Gestaltung von User Interfaces nicht als Pflichtübung für den Styleguide auf S. 97, sondern als zentralen Ausgangspunkt für die Entwicklung einer ganzheitlichen Markenstrategie. Dabei geht es immer auch darum, markenprägende Interaktion (branded interactions) mit dem bestehenden Zeitgeist zu verbinden.
Smart, simple, sustainable sind unsere Leitwerte, deshalb sind wir von jeher der Meinung, weniger ist besser, wenn es nachhaltig ist, und favorisierten schon lange im Web einen flachen, reduzierten Look – allerdings mit einer klaren Kennzeichnung der Interaktionselemente. Denn Don Normans „affordances“ behalten weiterhin ihre Daseinsberechtigung. Eigentlich wird in einer flachen Welt die Auszeichnung ja einfacher: wenn alles flach ist wird der kleinste Hügel zum Berg. Immer vorausgesetzt, die Hierarchie der Interface-Elemente stimmt.
Leider ist Flat Design in jüngster Zeit zu einem populären Phänomen geworden, welches, wie früher z.B. die Alles-muss-im-sichtbaren-Bereich-sein-Regel, die Pfadnavigation, die 7er-Usability Regel oder die Präsenzpflicht auf Facebook, von vielen Kunden unhinterfragt eingefordert wird – unabhängig davon, ob es zur Marke, zum Inhalt, zum Produkt, zur Zielgruppe passt oder nicht. Dabei gibt es gute Gründe für und einige gegen Flat Design, wie wir vor kurzem hier bereits gezeigt haben.
#3. Bleibt alles anders – Die Publishing Branche im Umbruch.
Nicht ganz neu, aber mit Kunden aus der Publishing Industrie (Rodale Motor Presse, Cornelsen Verlag, Bookwire) und eigenen Fachbuchpublikationen (Branded Interactions, Multi-Channel-Strategien-im-stationären-Einzelhandel) beschäftigt uns das Schicksal der Verlagsbranche immer wieder und es bleibt spannend zu beobachten, wie die Branche sich tastend den Weg im Dunkel der Zukunftsprognosen sucht.
Das gilt besonders für die erzählerische Seite. Seite den 90er Jahren beschäftige ich mich mit interaktiven Erzählformaten und tatsächlich gibt es auf diesem Gebiet wenig neues. Die Szenarien interaktiver Narration wurde schon vor vielen Jahren in den unterschiedlichsten Disziplinen durchgespielt: Film, Games, Hypertext-Literatur. Die Experimente die wir heute sehen sind nur schrittweise Annäherungen an die Visionen einstiger Tage, als man noch übermütig das Ende des Buches verkündete. Vor allem aber fehlt es an technologischen Plattformen. Das Kindle ist nett zum Lesen im alten Stil – aber auch in Sachen Interface ein Rückschritt in die Zeit des ersten Apple Macintosh und des Atari ST. Schön retro – aber nix neues.
#4. Nachhaltigkeit und Transformation – Wandel und Beständigkeit
Buckminster Fuller veröffentlichte 1969 im Sommer der Liebe seine „Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde“, die allerdings ebendiese nicht war sondern das Vorwort dazu mit der Feststellung, dass eben jenes Manual erst noch geschrieben werden muss und wir solange ziemlich hilflos und mit einer Restlaufzeit ausgestattet im All treiben.
Einige Unternehmen beginnen allmählich, sich als Betriebseinheit auf unserem Raumschiff zu verstehen und weil in diesen Unternehmen manchmal auch denkende Menschen sitzen, beginnen sie ihren Teil dazu beizutragen, das Manual zu schreiben. Da Betriebseinheiten aber dem Systemprotokoll folgen müssen, wird das nicht ganz reichen, wir werden das Protokoll ändern müssen, bis es passt und dabei können Designer eine Rolle spielen. Gerade weil Kreative unkonventionelle Lösungswege suchen, werden sie gebraucht, um Systeme nachhaltig zu gestalten und flexibler. Da wir ja noch nicht wissen, was funktioniert und was nicht, gilt es einfach mal anzufangen und auszuprobieren. Womit wir wieder bei Agilität wären. (s. Trend #1)
Nachhaltigkeit und Transformation sind zwei Themen, die eng zusammen hängen und mit denen wir uns mehr und mehr beschäftigen. Nun versuchen wir selbst, unsere Agentur nachhaltig und sozial fair umzubauen, erste Regeln haben wir aufgestellt, auf grüne Technik und Ökostrom setzen wir ohnehin seit Anfang an und Bahnfahren statt fliegen ist eh produktiver. Aber was können wir darüber hinaus tun? Laura Dohmeier, Masterstudentin an der Hochschule Hannover, hat uns und vielen anderen diese Frage gestellt und auf einer Website dokumentiert.
#5. Internet der Dinge – Making Things Social
Immer wieder als Megatrend angekündigt, aber irgendwie fehlt noch die passende Infrastruktur: das Internet der Dinge. Damit verbunden sind große Herausforderungen: will man die Fehler vermeiden, die z.B. die Sozialen Medien mit sich gebracht haben, sollte man früh über ökologische und gesellschaftliche Folgen nachdenken. In der Politik spricht man von Technikfolgenabschätzung – ein bisschen mehr politisches Bewusstsein könnte der Branche nicht schaden. Denn Nest und Co sind nur der erste Schritt: letztlich wird alles und jeder messbar und prinzipiell mit einander verschaltbar, alle Geräte werden Sensoren haben, die von überall ansprechbar sind und wer selbst ein Up, Nike Fuelband, Fitbit oder iHealth Device am Handgelenk trägt, weiß, dass auch die Menschen davon nicht ausgenommen sind. Wie immer gibt es zwei Seiten der Medaille und natürlich stecken wir, die wir an solchen Lösungen mitarbeiten, schon mittendrin, umso wichtiger ist es, die Diskurse zu führen, was gut ist und was schlecht – im Sinne einer nachhaltigen Transformation (s. Trend #4).
And what about Mobile?
Hmm… während so mancher Trendbericht den Allzeit-Trend Mobile auch 2013 wieder zum Trending Topic erklärt, können wir aus eigener Erfahrung eher sagen: Mobile ist einfach da. Vorbei ist auch die Zeit, dass App von Apple kommt. Responsiv ist standard. Mobile First selbstverständlich. Kennen sie noch jemand ohne Tablet oder Smartphone? Eben. Mobile ist das neue Web und daran arbeiten wir schließlich jeden Tag.