Teil 1/2 – Interaktive Magazinformate auf dem iPad – oder wie sollte ein Magazin auf dem iPad sein?

Mein damaliger Dozent  und heutiger Chef Marco Spies, hatte an unserer Hochschule 2009 „Branding Interfaces“ unterrichtet. Das Thema hatte mich so fasziniert, dass ich weiter neugierig blieb und deswegen Anfang/Mitte letzten Jahres 2010 direkt aus Australien zu think moto (damals noch neo moto) als Werkstudent kam, um in den darauf folgenden Monaten meine Bachelorarbeit an der HTWG Konstanz zu schreiben. Das Thema meiner Bachelorarbeit „Interaktive Magazinformate“ entstand während der Konzeptionsphase für unseren Kunden Men’s Health (Website Relaunch). Ich entwickelte für Men’s Health ein Service System, das der Marke entspricht (Persönlicher Ratgeber für den Mann), die Business Ziele erfüllt (Neue Formate und langfristige Anbindung) und die User  Needs  zufriedenstellt (Rat und Unterstützung von Experten) . Dazu aber ein anderes mal mehr :) Hier zunächst ein Auszug aus meiner Bachelorarbeit „Interaktive Magazinformate:

Die Rettung für die Verlagsbranche?
Die Verlage setzen auf das iPad als neuen Vertriebskanal für bezahlbaren Content – bislang allerdings ohne großen Erfolg. Eine Folge der Unwissenheit über das neue Medium? Ist es nun ein Computer? Oder doch einfach nur ein größeres iPhone? Ein digitales Medium, das sich im Umfeld der Printmedien bewegt?

Das iPad als Inkubator der Branche
iPads sind leicht und besitzen große qualitativ hochwertige Multitouch Bildschirme, um sowohl Bilder als auch Videos in neuer Qualität zu zeigen. Darüber hinaus verfügen sie über die Interaktivität, die Aktualität des Webs, das Format, die Mobilität, das Illustrative, des Magazins und die bereits bekannten Interaktions-Paradigmen vom iPhone. Es stellt eine ideale Plattform dar, um klassische und interaktive Medien zu verknüpfen.

Die Haltung und Umgebung beim Lesen ist dieselbe wie bei klassischen Medien. Die neuen Darstellungsformen und die hinzugekommene Interaktivität ermöglichen jedoch ein neues Format. Die komplette Magazinsammlung lässt sich jetzt überall hin mitnehmen. Morgens am Frühstückstisch wird bei Kaffee und Brot die neue, digitale Magazinausgabe gelesen – eine Situation, die mit einem Laptop selten gegeben ist. Der Abstand zwischen Bildschirm und Auge ist beim iPad deutlich geringer als beim Laptop, was Videos und Bildern eine ganz andere Dimension verleiht.

Die Times ordnet das iPad in die Liste der Top50 Erfindungen des Jahres 2010 ein. Jedoch gehört auch „Flipboard“, ein iPad App, das auf Social Media Streams und RSS Feeds wie Facebook und New York Times zugreift, dazu: Es stellt diese in einem wunderschönen Magazinformat dar und gibt dem User das Gefühl, dass es nur für ihn „gedruckt“ wurde. Apple schafft mit dem iPad eine neue Produktkategorie, die Altes und Neues zu verknüpfen vermag. Es bringt frischen Wind in die Verlagsbranche, weil das marode Verlagswesen wieder innovativer denken und handeln muss, damit sich Magazine auf dem iPad verkaufen lassen. iPads sind mit anderen Worten eine Schnittstelle zwischen Print und Web, welches ein besonderes Format ermöglicht: Interaktive Magazine.

Nicht alles ist interaktiv
Zunächst einmal muss an dieser Stelle jedoch geklärt werden, was unter medialer „Interaktivität“ zu verstehen ist:

Interaktiv, Bezeichnung für die Eigenschaft eines Anwendungsprogramms oder eines Betriebssystems, in einen Dialog mit dem Anwender zu treten und die Aufgaben gemäß der Eingaben des Benutzers zu lösen.

Ein interaktives Magazin wäre demnach die Wechselbeziehung zwischen dem Leser und dem Magazin. Der Leser bekommt also Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten, um Einfluss auf die Auswahl als auch auf die Art der Inhalte zu nehmen. Ein Blick in den App Store sowie in Google zeigt, dass unter interaktiven Magazinennichts anderes verstanden wird, als ein digitales Magazin, das mit bewegten Bildern, sprich Videos, verschönert wird.

Für die Konzipierung eines iPad Magazins ist es wichtig, die Interaktions-Paradigmen so wie Metaphern vom Print, Web und iPhone zu analysieren. Nur mit diesem Wissen und Verständnis kann ein adäquates Format für das iPad entwickelt werden.

Die Nutzungsweise des iPad verstehen lernen
Die derzeitigen Magazine im App Store sind fast alle enttäuschend. Sie bieten wenig bis gar keinen Mehrwert gegenüber dem Web oder dem Print. Die Entwicklung von Apps ist teuer und die Inhalte müssen aufwendig für das iPad portiert werden, wodurch die Verlage, aufgrund der geringen Nachfrage, letztlich kaum Gewinn erzielen. Die anfängliche Begeisterung des Users ist übergegangen in eine Enttäuschung. Die Magazine sind mit dem iPad zwar handlicher geworden, unter der Voraussetzung, dass der Speicher reicht, es gibt Social Media Anbindungen, größere Bilder, und Videos, aber das reicht auf lange Sicht nicht aus.

Das iPad ist ein PC mit dem Format eines Magazins. Untersuchungen zeigen, dass das iPad in erster Linie zuhause im Umfeld des Printmedium genutzt wird und nicht wie das iPhone unterwegs. Auf dem Sofa, im Bett und auf längeren Fahrten. Verlage müssen auf das völlig neue Nutzerverhalten eingehen und die Erwartungen der User analysieren. Die Experience muss besser sein, als die vom Web oder Magazin. Kein PDF Viewer. Nachrichtenapps könnten tagsüber über aktuelle Aktienkurse informieren, abends eine Zusammenfassung anbieten und wenn der User eher an Finanzen interessiert ist, werden zum Beispiel auf der Titelseite Nachrichten aus der Finanzwelt statt Boulevardnachrichten angezeigt.

Wie ein Magazin auf dem iPad sein sollte
Der User könnte sich aus verschiedenen Magazinausgaben ein eigenes Magazin zusammenstellen, speichern und mittels einer Sharefunktion an Freunde verschicken. Mit der Screenshot Funktion des iPads ist es einfach, Artikel zu speichern und zu verschicken. Wesentlich einfacher, als das Printmagazin auf den Scanner zu legen und dann an Freunde zu verschicken. Verlage können sich nicht darauf verlassen, dass ihre Informationen nicht kopiert werden. Also wieso sollten sie sie nicht gleich anbieten?

Der User zahlt nicht mehr für Informationen, die er auch im Web kostenlos bekommt, aber durchaus für Service. In diesem Falle für eine User Experience. Wer wollte nicht schon immer ein Kleid, das er im Magazin sieht, sofort kaufen? Wieso werden dafür keine Informationen bereitgestellt? Das ist ein Service, für den der Leser durchaus bereit ist zu zahlen. Das Kapitel „Sommertrends 2011“ könnte ein Mix aus Userkommentaren sowie dem Redaktionsinhalt sein. Die zehn besten Fitnesstipps für ein Sixpack lassen sich im Magazin sehr gut lesen, aber wenn ich sie brauche, dann habe ich sie nicht dabei. Nicht im Fitnesstudio oder im Supermarkt, da vielleicht das Magazin im Büro oder zuhause liegt. Es geht um deutlich mehr als vorhandene Inhalte interaktiv zu machen. Es geht darum, dem User zu ermöglichen, die richtigen Inhalte jederzeit verfügbar zu machen. Das iPhone habe ich immer dabei, darauf möchte ich aber nicht den ganzen Artikel lesen, sondern beispielsweise nur die Übung.

Um das iPad herum
Das iPad bezieht seine Umgebung mit ein, kommuniziert mit ihr und verändert sie. Während meiner Recherche und Konzeption habe ich mich besonders darauf konzentriert, das richtige Format für ein interaktives Fitnessformat zu finden. Interaktive Übungen, Motivation und Personalisierung sind nur einige Stichwörter, jedoch habe ich gleichzeitig festgestellt, dass das iPad vor allem die Nutzung von anderen Medien neu definiert oder zumindest verändert. Das Design von Webseiten wird klarer, die Hierarchien flacher und die Bilder größer (Vollbildformat). Apples Pressekonferenz „Back to the Mac“ im Oktober 2010 über das neue Betriebssystem „Lion“ lief unter dem Motto „Back to the roots“. Das neue System wird einige Elemente aus iOS von Apple übernehmen. Die einfache Installation von Programmen, keine Installationsroutine mehr, ein App Store, reduziertes UI, keine sichtbaren Scrollbalken und Fullscreen. Auch hardwaretechnisch wurde zum Beispiel das bekannte „Instant-On“ für das Macbook Air umgesetzt.

Endlich Multiscreen – medienkonforme Interaktion und Inhalte
Darüber hinaus gibt es nach und nach die ersten Apps, die das iPad und das iPhone nutzen. „Uno“ nutzt das iPad als digitalen Tisch und jedes iPhone stellt einen User mit seinen eigenen Karten dar.

„Chopper 2“ nutzt das iPhone als Steuergerät und das iPad oder den Fernseher für die Bildausgabe. Fitnessapps für das iPad werden in erster Linie zuhause genutzt, wobei es um Zusammenfassungen, Planung und Organisation geht. Das iPhone ist jedoch ein ideales Trackinggerät. Es kann mit verschiedenen Geräten kommunizieren, den täglichen Lauf tracken und an das iPad weiterleiten.

Mit Hilfe von Microsoft Kinect wird der User während seiner Übungen beobachtet, ob er die Bewegungen richtig macht, gibt dem User Feedback, kann gegebenenfalls einen richtigen Coach anfordern und mit ihm über Videochat reden. Das iPhone, das direkt am Gerät angeschlossen ist, trackt das Training automatisch mit und gibt die Daten an den Server weiter. Abends, wenn der User wieder zuhause ist, kann er sich im Bett das Ergebnis anschauen.

Noch immer ganz am Anfang
Das iPad ist noch heute ein undefiniertes Gerät, aber es bietet eine Fülle an erweiterten Interaktions-Möglichkeiten. Die Konzipierung von Magazinapps erinnert an Web- und Desktopsoftwareprojekte, die Programmierung ist ebenfalls eine Mischung aus beidem und die Gestaltung versucht Print, Web und Desktop zusammenzubringen. Das macht das iPad aber gleichzeitig auch zugänglich. Viele Gesten und Metaphern kennen wir bereits vom iPhone, Web und aus dem echten Leben. Wir sehen, wie einfach und intuitiv Apps sein können. Wieso nur auf dem iPad?

Gleichzeitig führt es jedoch zu viel Irritation, da der User selbst noch nicht weiss, was er von dem iPad erwarten kann. Konventionen für die Konzipierung und Gestaltung von interaktiven Magazinen werden sich noch entwickeln. Der User erwartet weit mehr als Videos und große Bilder. Er will eine neue User Experience, die sich vom Print und Web deutlich unterscheidet.

iPad hin oder her, neue Produktkategorie, andere verändert
In Zukunft müssen Verlage ihre Medien besser kanalisieren, miteinander verknüpfen und nicht kannibalisieren. Ob das iPad sich durchsetzen wird, steht nicht im Vordergrund. Es hat schon jetzt Verlage dazu gebracht, wieder innovativer über neue Formate nachzudenken und vorhandene Inhalte besser auf die verschiedenen Medien zu optimieren. Nicht zuletzt durch HTML5 erleben wir angepasste Webseiten für das iPad, die eher an eine iPad als Web Experience erinnern.

Weder das Internet noch der klassische Printbereich werden in den nächsten 20 Jahren aussterben. Das Internet wird sich stärker auf „realtime“ Informationen verlagern. Print wird weiter Zusammenfassungen von Autoren anbieten und das iPad wird eine Mischung aus beidem sein, was jedoch ein anderes Format erforderlich macht. iPad Magazin Konzepte müssen von Grund auf neu durchdacht warden – sozial, echtzeit und lokal.

Im nächsten Teil:

iPad und iPhone-User Experience im Vergleich
Zehn Prinzipien für eine optimale iPad-User Experience Konzept

 

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